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Anwendungen der Placebo-Foschung

Patienten-Erwartungen gezielt steuern und nutzen: Wir wir das Wissen der Placebo-Forschung in der Medizin anwenden können

In der medizinischen Praxis spielen die Erwartungen von Patientinnen und Patienten eine große Rolle. Daraus resultierende Placebo- und Nocebo-Effekte können den Erfolg einer Therapie erheblich beeinflussen. Deshalb sollten Behandelnde diese Effekte kennen – um sie steuern und zum Vorteil ihrer Patienten nutzen zu können.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen in immer mehr Details, wie sich Erwartungen von Patientinnen und Patienten auf den Therapieerfolg auswirken. Wir kennen heute viele der psychologischen und neurobiologischen Mechanismen, mit denen aus Erwartungen eine Placebo- oder Noceboantwort entsteht, wie sich diese auswirkt und welche Faktoren sie beeinflussen. Diese Erkenntnisse erlauben es uns, Placebo- und Nocebo-Effekte gezielt zu fördern oder zu vermeiden – und damit Therapien erfolgreicher, Patienten zufriedener und klinische Studien spezifischer zu machen. 

Für die Anwendung der Placebo-Forschung spielt die Patientenversorgung eine zentrale Rolle

Eine zentrale Rolle für die Anwendung der Placebo-Forschung spielen die in der täglichen ambulanten und stationären Patientenversorgung tätigen Menschen: Ärztinnen und Apotheker mit ihrem Personal, Pflegerinnen und Therapeuten, Gesundheitsberater und viele mehr. All diese nehmen vom ersten Kontakt an mit ihren Gesprächen und ihrer Arbeit nicht nur auf klassisch therapeutischem Weg Einfluss auf die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten: Sie erzeugen und verändern zudem Erwartungen bei den ihnen Anvertrauten in Bezug auf deren Therapie – und rufen damit gegebenenfalls Placebo- oder Nocebo-Effekte hervor.

Allerdings bringt jeder Mensch bereits zur ersten Begegnung mit einer Ärztin, einem Apotheker oder einer Therapeutin Erwartungen mit. Die Person hat sich vermutlich informiert, vielleicht Berichte anderer Betroffener gehört und jedenfalls bereits eigene Erfahrungen mit Krankheiten und deren Behandlung gesammelt. Diese Erfahrungen resultieren in einer – nicht immer bewussten – Erwartung an die bevorstehende Therapie. Und sie beeinflussen diese in Form von Placebo- oder Nocebo-Effekten von Anfang an.

Praxisorientierte Begleitforschung

In der Placebo-Forschung sind Grundlagenwissenschaft und Anwendung eng verknüpft. Deswegen wird die forschungsbasierte Steuerung von Placebo- und Nocebo-Effekten vom Kompetenznetzwerk Placebo meist wissenschaftlich begleitet.

"Wer sich vor Nebenwirkungen fürchtet, hat ein größeres Risiko, diese tatsächlich zu bekommen"

Daher lohnt es sich beim ersten Kontakt etwa mit einer Patientin herauszufinden, welche Erwartungen sie hat. Sind diese bekannt, können sie in die Therapiestrategie einbezogen werden. Wenn die Patientin beispielsweise von schweren Nebenwirkungen gehört hat und sich davor fürchtet, steigt aufgrund des Nocebo-Effekts das Risiko, dass sie diese Nebenwirkungen bei ihr tatsächlich wahrnimmt. Deshalb ist es wichtig, auf die Sorgen der Patientin einzugehen, sie zu informieren und sie zu beruhigen, um eine positivere Einstellung gegenüber der Therapie zu erreichen – und damit die Aussicht auf Erfolg zu vergrößern.

Doch auch wenn ein Patient offenbar keine besondere Erwartungen an eine Therapie hat, lohnt es sich, Placebo- und Nocebo-Effekte zu berücksichtigen. Durch ein empathisches, freundliches Anamnesegespräch und eine verständliche, ehrliche und umfassende Aufklärung über die Möglichkeiten einer Therapie lässt sich eine positive Erwartung erzeugen, die mithilfe des Placebo-Effekts den effektiven Behandlungserfolg verbessern kann.

Eine positive Einstellung gegenüber einer Therapie zu erzeugen, bedeutet dabei nicht, falsche Erwartungen zu wecken oder Risiken zu verschweigen. Immer müssen medizinisch Tätige offen, umfassend und realistisch informieren. Aber wie genau, mit welcher Wortwahl, welcher Körperhaltung, welcher Stimme und in welcher Situation dies geschieht, kann einen großen Unterschied machen.

Ambulante Versorgung

In der täglichen ambulanten Praxis tragen Placebo- und Nocebo-Effekte in erheblichem Ausmaß zum therapeutischen Gesamterfolg bei. Eine erwartungssensible Kommunikation des Arztes bzw. der Ärztin, aber auch durch die Mitarbeitenden in der Praxis, kann die therapeutische Wirkung einer Behandlung maximieren und unerwünschte Nebenwirkungen verringern.

Stationäre Therapie und Pflege

In der stationären Therapie und Pflege greifen etliche Beteiligte bei unterschiedlichen Behandlungen und pharmakologischen Interventionen ein. Entsprechend vielfältig sind die Placebo- und Nocebo-Effekte, die hier wirken. Durch deren gezielte Steuerung können nicht nur therapeutische Wirkungen wesentlich und nachhaltig verstärkt werden, sondern parallel dazu lassen sich auch Patientenzufriedenheit, Compliance und Patientenadhärenz steigern.

Apotheken

Apothekerinnen und Apotheker nehmen in der Patientenbegleitung eine höchst bedeutsame Rolle ein. Neben dem Arzt oder der Ärztin sind sie zentrale Vertrauenspersonen bei Gesundheitsfragen, die Therapien begleiten und auch spontan und niedrigschwellig informieren können. Mit ihren Gesprächen können sie positive Erwartungen der Patienten bezüglich der Wirkungen einer Medikation verstärken und dadurch signifikant den Heilungsverlauf verbessern.

Medizinisches Fachpersonal

Medizinisches Fachpersonal wie etwa Pflegende oder Beratende im Gesundheitsbereich sind zentrale Vertrauenspersonen in Gesundheitsfragen. In der Regel haben sie sogar häufiger Kontakt zu den Patienten als der Arzt oder die Ärztin, und sie können sich mehr Zeit für die Kommunikation mit den Betroffenen und speziell für die Arzneimittelberatung nehmen. Somit kommt ihnen eine zentrale Rolle für die positive Steuerung einer Placeboantwort oder der Abschwächung einer Noceboantwort zu. 

Klinische Forschung

Die klinische Forschung analysiert die spezifische Wirksamkeit von Medikamenten oder anderen therapeutischen Maßnahmen in der Regel mittels randomisierter, placebokontrollierter Doppelblindstudien. Hier erschwert und behindert der Placebo- bzw. Noceboeffekt zusammen mit anderen Störgrößen die Quantifizierung der spezifischen Wirkung der Testsubstanz („Assay-Sensitivität“) oder macht diese gar unmöglich. Deshalb ist es wichtig, diese Effekte optimal zu kontrollieren.

Kompetente Beratung und Begleitung

Das Kompetenznetzwerk Placebo hat sich das Ziel gesetzt, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Wirkmechanismen der Placeboantwort in konkrete Konzepte für die klinische Forschung und Praxis zu übersetzen. Die Expertinnen und Experten aus dem Netzwerk unterstützen Sie dabei, bessere Therapien für Ihre Patienten und Fortschritte für Ihre Einrichtung zu erreichen.