Stationäre Therapie und Pflege
Stationäre Patientenversorgung: Wie Placebo-Effekte den Therapieerfolg direkt und indirekt steigern können
In der stationären Therapie und Pflege sind oft zahlreiche unterschiedliche Personen und Behandelnde an einem Therapieverlauf beteiligt. Entsprechend vielfältig sind die Placebo- und Nocebo-Effekte, die hier wirken. Durch deren gezielte Steuerung können nicht nur therapeutische Wirkungen wesentlich und nachhaltig verstärkt werden, sondern parallel dazu lassen sich auch Patientenzufriedenheit, Compliance und Patientenadhärenz steigern.
Überall dort, wo Menschen stationär medizinisch versorgt werden, treten besonders komplexe Placebo- und Nocebo-Effekte auf. Das liegt zunächst einmal daran, dass in Krankenhäusern, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen gewöhnlicherweise viele verschiede therapeutische und pflegerische Berufsgruppen bei unterschiedlichen Behandlungen, Eingriffen und pharmakologischen Interventionen beteiligt sind. Sie alle nehmen dabei Einfluss auf die Erwartungen und Befürchtungen der ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten – und zwar auch dann, wenn sie nur sehr kurz in Kontakt zu ihnen kommen.
Hinzu kommt, dass auch die konkreten Behandlungsfälle sehr individuell sind. In einen Fall hat eine Patientin vielleicht schon lange darauf gewartet, dass endlich die Schrauben wieder entfernt werden können, die ihr nach einem Knochenbruch eingesetzt wurden und die ihr immer wieder Beschwerden bereitet haben. Der andere Patient hingegen hat einen Eingriff lange hinaus gezögert, weil er sich vor der Operation und ihren Folgen fürchtet – und muss ihn nun doch vornehmen lassen.
Eine positive Erwartungshaltung kann gerade im stationären Umfeld starke Placebo-Effekte auslösen
Hat die Patientin eine positive Erwartungshaltung gegenüber einer Therapie, können gerade im intensiv betreuten, stationären Umfeld starke Placebo-Effekte auftreten – und den Therapieerfolg erheblich unterstützen. Die Erwartung löst dabei messbare neurologische Prozesse aus, die zum Beispiel auf die Schmerzweiterleitung, auf Entzündungsprozesse oder die Wirkung von Medikamenten einwirken können. Solche Placebo-Effekte können die an der Therapie Beteiligten unterstützen, indem sie die positive Einstellung der Patientin unterstützen, jedoch darauf achten, dass ihre Erwartung auch mit einem realistischen Therapieverlauf übereinstimmen.
Auch der umgekehrte Fall ist vor allem in Krankenhäusern sehr präsent. Der Patient, der die Operation gern vermieden hätte, kommt vermutlich mit negativen Gefühlen in die Klinik. Eine negative Erwartungshaltung kann jedoch Nocebo-Effekte zur Folge haben: So kann zum Beispiel das Schmerzempfinden verstärkt werden, das Risiko für Nebenwirkungen steigt, und im schlimmsten Fall können starke Nocebo-Effekte den Behandlungserfolg sogar komplett in Frage stellen.
„Sie brauchen keine Angst zu haben“, ist eine gefährliche Aussage
Die in der stationären Versorgung tätigen Ärztinnen, Pfleger, Therapeutinnen und andere wissen, dass die Situation für ihre Patienten belastend sein kann – und versuchen in der Regel, ihnen Sorgen zu nehmen und Zuversicht zu geben. Trotzdem können auch mit bestem Willen geführte Gespräche sich negativ auswirken, wenn sie nicht erwartungssensibel geführt werden. Beispielsweise rufen eigentlich gut gemeinte Aussagen wie „Sie brauchen keine Angst zu haben“ oder „Das tut jetzt nur kurz ein bisschen weh“ oft Unsicherheit und Ängstlichkeit beim Patienten hervor und verstärken damit unbeabsichtigt Noceboantworten.
Viele beruhigend gemeinte Sätze bewirken gerade ihr Gegenteil
Wie leicht positiv gemeinte Aussagen negative Erwartungen hervorrufen können, zeigt folgendes Beispiel. Anästhesisten führen Patientengespräche typischerweise zu einem besonders heiklen Zeitpunkt vor einer Operation oder größeren Untersuchung. Meist sind die Patienten in dieser Situation angespannt, oft ängstlich – was zu Nocebo-Effekten führen kann. Um ihnen Ängste zu nehmen, verwenden viele Ärztinnen und Ärzte Formulierungen wie diese: „Hallo, ich bin Dr. Schmidt. Ich werde Sie jetzt schlafen legen. Wir fangen mit dem ersten Medikament an, das Sie müde und benommen macht; dann geben wir Ihnen das zweite Medikament, das kann ein wenig brennen; aber bald wird alles vorbei sein“. Diese Sätze sind erklärend und beruhigend gemeint. Jedoch richten sie die Aufmerksamkeit dabei auf negativ konnotierte Begriffe wie „benommen“, „brennen“ oder „alles vorbei“. Auch Verkleinerungen wie „ein wenig“ wirken auf Gesprächspartner eher beunruhigend.
Statt dessen ist es wichtig, in Patientengesprächen positive Begriffe einzusetzen, etwa: „Hallo, ich bin Dr. Schmidt, Ihre Anästhesistin. Ich bin hier für Ihr Wohlbefinden und Ihre Sicherheit. Wir werden Ihnen zunächst ein gut wirksames Schmerzmittel geben das, alles leichter machen wird. Dann gebe ich Ihnen ein zweites Medikament, das Sie angenehm müde macht. Während Sie schlafen, werde ich die ganze Zeit an Ihrer Seite sein, bis die gesamte Prozedur abgeschlossen ist.“
Eile und Stress sind Belastungsfaktoren – für Behandelnde ebenso wie für Patienten
Derart achtsam und sensibel zu formulieren, ist in Kliniken eine besondere Herausforderung. Denn einheitliche Sprachregelungen müssen hier von vielen unterschiedlichen Beteiligten angewandt werden – und das oft noch unter Zeitdruck und großer Arbeitsbelastung. Allerdings ist sind Eile und Stress auch für die Patientinnen und Patienten Belastungsfaktoren. Umso wichtiger ist es, eine positive Kommunikation einzuüben, um Placebo-Effekte zu nutzen und Nocebo-Effekte zu minimieren.
„Eine positive Einstellung stärkt zugleich Zufriedenheit, Compliance und Adhärenz“
Für größere Einrichtungen lohnt es sich, dazu auch Kommunikationsmittel wie Flyer oder Videoclips einzusetzen. Diese können gezielt den Rahmen vorgeben für eine positive Einordnung von Therapien und Nebenwirkungen. Auch eine beruhigende Atmosphäre und angenehme Gestaltung der Räumlichkeiten kann Placeboantworten initiieren – und damit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Therapie nachweislich vergrößern. Viele wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zeigen zudem mittlerweile, dass eine positive Einstellung von Patientinnen und Patienten nicht nur zu Placebo-Effekten führt, sondern gleichzeitig ihre Zufriedenheit, Compliance und Adhärenz stärkt – und damit auch indirekt ihren Genesungsprozess fördert.
Therapieerfolg steigern, Patientenadhärenz verbessern
Das Kompetenznetzwerk Placebo hat sich das Ziel gesetzt, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Placebo-Effekten in konkrete Konzepte für die medizinische Forschung und Praxis zu übersetzen. Die Expertinnen und Experten aus dem Netzwerk unterstützen Sie dabei, in Ihrer Einrichtung bessere Therapieergebnisse für Ihre Patienten zu erreichen.
Wir beraten Sie gerne zu den Themen:
- Analyse der aktuellen Situation in der Einrichtung bezüglich Placebo- und Nocebo-Effekten
- Optimierung von Behandlungen und pharmakologischen Interventionen
- Minimierung von ungewünschten Nebenwirkungen und Nocebo-Effekten
- Neuausrichtung von Prozessen und Abläufen
- Angemessene Patientenaufklärung, Kommunikationstraining
- Individualisierte Therapieplanung und -überwachung
"Stationäre Patientenversorgung: Wie Placebo-Effekte den Therapieerfolg direkt und indirekt steigern können" – Fotos: Drazen Zigic auf Freepik / Freepik