Ambulante Versorgung
Placebo-Effekte in der ambulanten Versorgung: Mit gezielten Patientengesprächen den Therapieerfolg steigern
In der ambulanten Versorgung spielen die Erwartungen von Patientinnen und Patienten eine große Rolle. Daraus resultierende Placebo- und Nocebo-Effekte können den Erfolg einer Therapie erheblich beeinflussen. Deshalb sollten Behandelnde diese Effekte kennen – um sie steuern und zum Vorteil ihrer Patienten nutzen zu können.
In der ambulanten Versorgung begegnen wir Placebo- und Nocebo-Effekten täglich. Wie eine Patientin oder ein Patient gegenüber einer Therapie eingestellt sind, was die Person erhofft oder befürchtet, hat einen großen Einfluss auf den Erfolg der Behandlung. Nicht allen Ärztinnen und Ärzten oder den Mitarbeitenden in der Praxis ist jedoch bewusst, wie sehr sie selbst Einfluss auf diese Effekten nehmen – und dadurch den Therapieerfolg maßgeblich steigern oder verringern können.
Zahlreiche experimentelle und klinische Studien zeigen eindrucksvoll, wie die Behandlungserwartungen von Patienten die Wirkung einer Therapie verstärken oder abschwächen können. Im ersten Fall spricht man von einen Placebo-, im zweiten von einem Nocebo-Effekt. Besonders in der Schmerztherapie sind diese Effekte gut untersucht. Aber auch aus der Rheumatologie, der Gastroenterologie und vielen anderen Bereichen der Medizin ist bekannt, wie durch die Erwartungen von Patienten im zentralen Nervensystem Prozesse angestoßen werden, die zu körperlichen Veränderungen führen – und den Therapieverlauf entscheidend beeinflussen.
Eine zentrale Rolle für Nocebo- und Placebo-Effekte spielen Patientengespräche
Eine zentrale Rolle für Nocebo- und Placebo-Effekte in der ambulanten Versorgung spielen Patientengespräche. Ärztinnen und Ärzte nutzen diese Gespräche normalerweise, um die richtige Diagnose zu stellen, gemeinsam mit Patienten die passende Therapie zu finden und zu erläutern, bei schlechten Nachrichten zu unterstützen und die Patientenzufriedenheit sowie Adhärenz zu verbessern. Wenn sie in Patientengesprächen zusätzlich die Erwartungen und Befürchtungen der Patientinnen und Patienten in den Blick nehmen, lässt sich der Effekt der Gespräche und in der Folge auch der Therapieerfolg, die Adhärenz und die Zufriedenheit zum Wohle der Patienten zusätzlich steigern.
„Neun von zehn Patienten vertragen dieses Medikament gut“
Zum Beispiel bereiten mögliche Nebenwirkungen einer Behandlung vielen Menschen Sorgen. Erklärt eine Ärztin in der Praxis ihrem Patienten eine neue Therapie, muss sie umfassend, ehrlich und ausgewogen über deren Wirkung und Nebenwirkungen informieren. Für die Risikowahrnehmung des Patienten ist es jedoch ein großer Unterschied, ob die Ärztin dabei sagt: „Neun von zehn Patienten vertragen dieses Medikament gut“, oder: „Bei zehn Prozent der Patienten kommt es zu teilweise starken Nebenwirkungen“. Die erste Formulierung richtet die Aufmerksamkeit auf die (große) Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie ohne erhebliche Nebenwirkungen verlaufen wird; die zweite auf die (deutlich kleinere) Möglichkeit, Nebenwirkungen zu erleiden.
Mit "Coping" und "Framing" Nebenwirkungen erträglicher machen
Auch, wie die Ärztin genau über einzelne Nebenwirkungen spricht, ist bedeutsam. Führt sie im Gespräch mögliche Nebenwirkungen nicht nur auf, sondern erklärt auch Wege und Möglichkeiten, damit umzugehen, vermittelt sie ihrem Patienten Stärke und Zuversicht. „Coping“ nennt man solche Bewältigungsstrategien, die Patientinnen und Patienten helfen, eine Therapie auch bei schwierigem Verlauf durchzuhalten. Eine andere Strategie ist das „Framing“, bei dem Informationen bewusst in einen positiven Rahmen gesetzt werden: So kann die Ärztin zu erwartende Nebenwirkungen als Zeichen dafür herausstellen, dass ein Medikament tatsächlich anschlägt. Auch das hilft dem Patienten, diese zu ertragen.
„Kleine Unterschiede können erstaunlich große Auswirkungen haben“
Solche scheinbar kleinen Unterschiede in der Gesprächsführung können erstaunlich große Auswirkungen haben. Tatsächlich geht es dabei nicht nur darum, dass die Patientinnen und Patienten sich wohler fühlen: Wer sich vor Nebenwirkungen besonders fürchtet, hat ein nachweisbar größeres Risiko, diese tatsächlich zu erleiden – ein Nocebo-Effekt. Das gleiche gilt umgekehrt: Eine positive Erwartungshaltung gegenüber einer Therapie steigert deren Erfolgswahrscheinlichkeit aufgrund des Placebo-Effekts erheblich.
Die Qualität der Kommunikation von Ärzten und Ärztinnen mit ihren Patienten, aber auch jener ihres medizinischen Personals, hat maßgeblichen Einfluss auf die Behandlungserwartung ihrer Patientinnen und Patienten – und damit auf deren Physiologie, auf End-Organ-Funktionen, den Heilungsverlauf und dessen Erfolg. Eine gute Kommunikation erlaubt es, Placebo-Effekte in der Arztpraxis zu nutzen und Nocebo-Effekte zu verhindern. Sich diese kommunikativen Fertigkeiten anzueignen, hilft dabei, eine positive, tragfähige und vertrauensvolle Arzt-Patientenbeziehung aufzubauen und zu erhalten – und den Therapieerfolg für Patientinnen und Patienten zu steigern.
Gute Patientenkommunikation ist erlernbar
Das Kompetenznetzwerk Placebo hat sich das Ziel gesetzt, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Placebo-Effekten in konkrete Konzepte für die klinische Forschung und Praxis zu übersetzen. Die Expertinnen und Experten aus dem Netzwerk unterstützen Sie dabei, bessere Therapieergebnisse für Ihre Patienten zu erreichen.
Wir beraten Sie gerne zu den Themen:
- Optimierung von Behandlungen und pharmakologischen Interventionen
- Minimierung von ungewünschten Nebenwirkungen und Nocebo-Effekten
- Angemessene Patientenaufklärung, Kommunikationstraining
- Individualisierte Therapieplanung und -überwachung
- Erhöhung der Patientenzufriedenheit
- Verbesserung von Compliance und Adhärenz